Symbolbild: David Lederer, Student im zweiten Semester an der Columbia University, schwenkt eine große israelische Flagge
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Nahostkonflikt - Proteste an US-Unis

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Antisemitismus an Unis: Jüdische Studierende in Bayern in Not

Die Forderung, Israel zu vernichten, beißende Kommentare, antisemitische Hassparolen in Gemeinschaftsräumen: Jüdische Studenten sehen sich auch in Europa zunehmenden Anfeindungen ausgesetzt. Die Justiz in Bayern hält dagegen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Free Palestine: From Columbia to Munich" – so wirbt ein Plakat des "Unikomitee für Palästina" in München für eine Demonstration am Freitagabend. Die Veranstalter fordern die Universitäten Bayerns dazu auf, die Zusammenarbeit mit Israels Universitäten zu beenden. Den Behörden hat das "Komitee" die Veranstaltung unter dem Titel "Gegen das Kooperationsgebot, Veranstaltung für Palästina als Solidarität mit den Studierenden in Amerika" gemeldet. Sich selbst beschreibt die Organisation als Komitee, die den "Genozid in Israel" verdammt. Als Veranstaltungsort wählt man am Freitagabend, am Shabbat, ausgerechnet den Geschwister-Scholl-Platz, Eingang und Erinnerungsort vor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

Jüdische Studierende in Bayern sind enttäuscht

Jüdische Studierende in Bayern beobachten Aktivitäten des "Unikomitees" und anderer Aktivisten seit Monaten. Sie fühlen sich nicht ausreichend von den Universitäten geschützt. Immer wieder seien sie mit Antisemitismus oder Anfeindungen konfrontiert, ob persönlich oder durch Schmierereien auf Toiletten.

Universitäten seien der Platz, wo Studierende mehr als die Hälfte der Zeit verbringen würden, da müsse man sich sicher fühlen können, doch das sei nicht der Fall, beschreibt die Vorsitzende des Verbands jüdischer Studenten in Bayern (VJSB), Aviva Lapke, die Gefühle vieler im Verband im Interview mit "report München": "Wir sind um unsere Zukunft besorgt! Wir versuchen, Optimismus aufrechtzuerhalten. Doch da herrscht dieses Gefühlschaos aus Enttäuschung, Wut und Hilflosigkeit und das begleitet uns tagtäglich." Das bedeute auch Rückzug, sich abschotten von der Außenwelt, "und dann geben wir uns doch wieder als Jüdinnen und Juden zu erkennen", so Aviva Lapke.

Ein Drittel der jüdischen Studierenden in Deutschland erlebt Antisemitismus

Eine im vergangenen März vorgestellte Schnellbefragung des Bundesministeriums für Bildung und Familie bestätigt die Erfahrungen der jüdischen Studierenden Bayerns. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der jüdischen Studierenden Diskriminierung erlebt hat [externer Link]. Mehr als die Hälfte hat seit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober demnach bereits Diskriminierung beobachtet.

"Bei acht Prozent der befragten Studierenden sind allgemeine antisemitische Einstellungen zu beobachten. Bei acht Prozent ist israelbezogener Antisemitismus festzustellen", so das Ministerium. Das ist fast jeder Zehnte. "Nie wieder" zu sagen hieße auch, es so zu meinen. Aviva Lapke wünscht sich deshalb mehr Dialog mit den Universitäten.

Bayerische Justiz bestätigt Anstieg antisemitischer Vorfälle

Auch die Generalstaatsanwaltschaft München und der Zentrale Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Andreas Franck, bestätigen: Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel würden verstärkt Vorfälle aus dem universitären Bereich gemeldet. Teilweise handele es sich um Straftaten, wenn etwa der terroristische Überfall vom 7. Oktober als Akt des legitimen Widerstands gegen den angeblichen Kolonialstaat Israel gerechtfertigt würde oder wenn etwa von einer marxistischen Studierendengruppe einer fränkischen Universität öffentlich die Botschaft "Intifada bis zum Sieg" in Richtung Israel geäußert würde.

Zum Teil gingen Informationen zu Vorfällen unterhalb der Schwelle des Strafrechts ein, etwa aggressives und dominantes Auftreten von Kommilitonen bei pro-palästinensischen Aktionen. Justiz und Polizei ermutigen Geschädigte judenfeindlicher Straftaten, Anzeige zu erstatten. Viel zu oft geschehe das nicht.

Europäische Rabbinerkonferenz appelliert an Universitäten Europas

Der Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner (CER) und diesjährige Karlspreis-Träger Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt fragt: "Was nützen all die europäischen und nationalen Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus und Vorurteilen gegenüber Jüdinnen und Juden, wenn sie nicht die Gesellschaft erreichen und junge, vor allem gebildete Menschen das Gegenteil befolgen?" Es sei erschreckend zu sehen, wie an vielen Universitäten und Schulen weltweit sich Schüler und Studenten unreflektiert aus Unwissen und historischer Ignoranz heraus für die vermeintlich friedliche palästinensische Sache einspannen ließen und sich so mit Antisemiten, islamistischen Extremisten und der Terrororganisation Hamas solidarisierten.

Wie damals Unterstützer des Kommunismus im Westen gar nichts vom bedrückenden Leben in der Sowjetunion gewusst hätten, wüssten die heutigen Palästina-Aktivisten an den Universitäten nichts davon, wie es für Menschen sei, unter einem iranischen Unterdrückungs- sowie Terrorsystem von Hamas und Hisbollah leben zu müssen, so Pinchas Goldschmidt. "In einem Europa, das immer für Freiheit und Vielfalt stand, befördern sie damit ihre eigene Unfreiheit. Die Bekämpfung von Antisemitismus und Israelhass sowie die Förderung jüdischen Lebens in Europa ist auch ein Freiheitskampf für uns alle und wir Europäer müssen uns heute fragen, was uns die Freiheit wirklich wert ist, das gilt auch für Spaniens Politik und seine Justizbehörden", so Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt.

Was in Deutschland verboten ist

Die bayerische Justiz legt im engen Verbund mit der Polizei insbesondere nach dem 7. Oktober Wert darauf, den Menschen hierzulande zu vermitteln, welches Verhalten etwa auf Demonstrationen strafrechtlich verboten ist.

Es ist strafbar:

  • die israelische Staatsflagge zu beschädigen oder zu zerstören
  • den Terrorangriff der Hamas öffentlich zu rechtfertigen ("Akt des Widerstands")
  • offen zu Straftaten aufzufordern ("Kill all jews")

Seit dem Betätigungsverbot des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 2. November 2023 für die Terrororganisation Hamas wird durch die Generalstaatsanwaltschaft München und die 22 bayerischen Staatsanwaltschaften für die Parole "from the river to the sea" der Verdacht einer Straftat, konkret der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, bejaht.

Die Versammlung des "Unikomitees für Palästina" wurde durch das zuständige Münchner Kreisverwaltungsreferat beschränkt und, anders als bei vorigen Veranstaltungen, eine Verlegung an die Münchner Freiheit angeordnet.

Zum Video: Pro-Palästina-Proteste - Hartes Durchgreifen an Unis gefordert

Pro-Palästina-Proteste - Hartes Durchgreifen an Unis gefordert
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Pro-Palästina-Proteste - Hartes Durchgreifen an Unis gefordert

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